Audimax: Alexander Meschnig – Deutsche Hysterie
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Das Schwanken zwischen Selbsterniedrigung und Größenwahn ist für die deutsche Nation konstitutiv. Auf historische Katastrophen und die daraus resultierenden neuen Herausforderungen folgte immer wieder eine hysterische Politik, in deren Mittelpunkt Fantasien und Wunschträume, herbeigesehnte Szenarien der Erlösung und der Katharsis standen. Der Ausgangspunkt einer politischen Hysterie ist dabei stets eine Erschütterung, die die Belastbarkeit einer Gemeinschaft übersteigt und die daraus resultierenden Probleme unlösbar macht.
In der Geschichte der Deutschen gibt es mehrere solcher Schlüsselerlebnisse, die das Verhältnis der Nation zu sich selbst prägen. Eine moralische Genugtuung, eine Art Wiedergutmachung durch die Befreiung vom seelischen Ballast vergangener Ereignisse, stand und steht dabei als Wunsch und Motiv politischer Handlungen stets im Mittelpunkt. Gegenwärtig und in der Politik der Ampelregierung deutlich sichtbar dominiert ein nicht mehr nationaler, sondern universeller Überlegenheitsrausch, eine von allen realen Friktionen abgelöste Hypermoral, die spiegelbildlich zur imperialen Phase der Deutschen eine suizidale Komponente hat.
Der Politikwissenschaftler und Psychologe Dr. Alexander Meschnig geht in seinem Essay der Frage nach der Genese und den gegenwärtigen Manifestationen einer hysterischen Politik in Deutschland nach.
Gewiß weisen die Deutschen seit 1945ff. einige neurotische Züge auf, die allerdings angesichts der traumatischen Erfahrung des "Dritten Reiches" und auch - nicht zu vergessen - der Art und Weise, wie die Sieger nachher mit ihnen und ihrem Land umgegangen sind, kaum verwunderlich sind.
Jedoch erscheint mir eine Wiederauflage des altbundesrepubl ikanischen Geschichtsmytho s' eines 1000jährigen irrlichternden Sonderwegs von Luther über Friedrich d.Gr. und Bismarck zu Hitler, aufgrund eines "kranken Volkscharakters ", etwas verstaubt...
Viele ertragen es offenbar nicht, daß ihr Weltbild einer intakten "Weltgemeinschaf t", in der sich 4 oder 5 gesunde, vernünftige, zum Wohl der Menschheit handelnde Machtstaaten sorgenvoll über den deutschen Patienten, das Problem- und Sonderwegsvolk der Welt beugen, widerlegt ist.
Sie trauern der guten alten Zeit hinterher, als Deutschland zwischen der Sowjetunion und den USA geteilt und von den Lasten der Souveränität entbunden, sowie ansonsten an ALLEN historischen Kriegen und Katastrophen alleinschuldig war und bestraft gehört.
Für sie ist der gegenwärtige Ukraine-Krieg eine Riesenenttäuschung, führt er doch vor Augen, wie sehr das Narrativ von einer "Weltgemeinschaf t", deren Existenz nur die Deutschen nie begriffen hätten, ein Propaganda-Konstrukt darstellt.
Das war im 20. Jahrhundert nicht anders als heute.
Nein, es machen nicht alle mit, aber die Zähigkeit des gutmeinenden bösen Geistes und die Negierung der brutalen realen Konsequenzen sind eindeutig deutsche Eigenarten. Wenn sich in der jüngeren deutschen Geschichte solche Exzesse mehrfach wiederholen ist was faul!
OK, 1x Nationalsoziali smus.
Aber was noch?
Na gut, einschließlich der jüngsten 3-4 Bundesregierung en dann eben zweifach.
Aber welche historischen Beispiele gibt es noch, die ein "mehrfach" begründen würden?
Die Meinungsumfrage n zeigten ein durchaus kritisches Bild.
Aber es stimmt, daß die Funktionseliten - der Parteienstaat und die Parteien-Kader in Medien, Justiz, Kirchen, den Behörden und Verbänden - das Land quasi unisono in die Katastrophe führten.
Ob nun aus Absicht (Verschwörungstheor ie) oder schlicht verantwortungsl oser Dummheit (Delegitimierun g des Staates), das bleibt die große Frage...
Greta Thunberg ist Schwedin, "Klima-Aktivisten" sind in der gesamten Westlichen Welt unterwegs und beschmieren Kulturdenkmäler, die "Letzte Generation" firmiert im angelsächsischen Sprachraum unter "Extinction Rebellion".
Auch hier besteht der Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern des Westens eher darin, daß es der Klimaaktivismus über die Grüne Partei, aber auch CDU und SPD bis auf die Regierungsbänke geschafft hat.
Während in anderen westeuropäischen Ländern noch eine gewisse Elitenkontinuit ät herrscht und sowohl Frankreich als auch Großbritannie n ihr Regierungsperso nal aus eigens dafür betriebenen Hochschulen rekrutieren, konnten in Deutschland so Gestalten wie Joschka Fischer von der Straße bis auf die Regierungsbank durchmarschiere n.
Seit dem Bruch mit den alten diskreditierten preußisch-deutschen Staatseliten mangelt es der deutschen Politik schlicht an Professionalität.
Hierzulande haben es die berühmt-berüchtigten NGO's erheblich einfacher als in den intakt gebliebenen Staaten Europas, direkten Einfluß auf die Politik auszuüben.
Auch, ob man die EU als ein deutsches Mittel zur Herrschaft über Europa betrachten kann, darf bezweifelt werden.
Vielmehr im Gegenteil: Die EU wurde einst gegründet, um Deutschland erfolgreich "einzuhegen", einzubinden und unter Kontrolle zu bringen.
Allerdings sind Weltbeglückungs-Phantasien und nationale Hybris keine deutsche Besonderheit, sondern geradezu Kennzeichen aller imperialen Mächte.
Briten begreifen sich eben nicht nur als Briten (um britische Interessen durchzusetzen), sondern als "die normalen Menschen" schlechthin.
Während alle anderen Nationen, die so komische unverständliche Sprachen sprechen, Gefangene diverser nationaler Eigenheiten seien, und denen als Hinterwäldlern die nötige Weltläufigkeit fehle.
Auch Frankreich als sendungsbewußte Kolonialmacht sah sich stets auf einer Menschheits-Mission.
Rußland meinte zuerst mit dem Panslawismus und dann mit dem Kommunismus die Welt beglücken zu müssen.
Schließlich: die USA mit ihrem Exzeptionalismu s, der nun wirklich wie kein anderer den Anspruch auf universelle Gültigkeit erhebt.
Die entscheidenden Unterschiede sind wohl:
a) daß den Deutschen der nötige berechnende Zynismus der o.g. Kolonial- und Imperialmächte abgeht, die ihre jeweilige Moral stets nur zur Verbrämung ihrer skrupellosen Eigeninteressen benützten (Moral hin, Profit her), sie aber niemals "allzu ernst nahmen" und bis zur Selbstzerstörung und -aufgabe trieben,
und b) schlicht daran, daß keine andere Imperialmacht so tief scheiterte wie Deutschland: Bedingungslose Kapitulation, Besatzung, temporäre Ausschaltung als völkerrechtl iches Subjekt.
Das blieb Briten, Franzosen, Russen und US-Amerikanern erspart.
Was die "Urkatastrophe" des Ersten Weltkriegs anlangt, hat die historische Forschung längst erwiesen, daß es eben keine deutsche Alleinschuld gab, noch nicht einmal so etwas wie eine "Hauptschuld", sondern es sich um einen Krieg der peripheren Machtstaaten (Großbritannie n, Frankreich, Rußland, USA) gegen Mitteleuropa (Deutschland, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich, Bulgarien, potenziell auch Skandinavien und Italien) handelte.
Hätten die Mittelmächte den Krieg gewonnen, stünden wohl heute die Entente-Mächte als die irrlichternden Bösewichte da...
Aus der Zeit der Kriegspropagand a stammt auch das Konstrukt einer "Weltgemeinschaf t", zu der sich die verbündeten Machtstaaten der Entente kurzerhand erklärten, um Deutschland als einen auszuschaltende n "Fremdkörper" darzustellen, für den kein Platz in der o.g. "Weltgemeinschaf t" sei.
Theoretisch kann man aber jeden beliebigen anderen Staat zum "Fremdkörper" und "Störenfried" erklären.
Das ist erst einmal völlig willkürlich.
Die traumtänzerische Unfähigkeit der heute regierenden bundesdeutschen Funktionseliten erklärt sich wohl eher daraus, daß die deutsche Politik zur Zeit des Kalten Krieges mehr als 40 Jahre lang sozusagen beurlaubt von echter Souveränität war.
Sie hat es schlicht nie gelernt, verantwortungsv olle Politik zu treiben, sondern verstieg sich ins Wolkenkuckucksh eim der Moralpolitik.
Heute sind die Eliten schlicht überfordert und verantwortungsl os.
Schaun mer mal, ob der totalitäre Kelch diesmal an uns Deutschen vorüber geht oder ob wir wieder (nicht zum erstenmal) 'neilangen'.
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